«Lehrerhaft» – gut oder nicht?

Heute möchte ich mich gerne zu fünf Punkten äussern. 

  1. Die Bezeichnung «lehrerhaft». Die SuS hatten meinen Anfang an der ÜL offenbar als «lehrerhaft» wahrgenommen. Was ist davon zu halten? Instinktiv würde ich das Adjektiv negativ bewerten, «lehrerhaft» klingt belehrend, allzu pädagogisch und etwas altbacken. Für einen Junglehrer allerdings, der ja gerne wie ein Lehrer sein möchte, ist das Adjektiv aber keine schlechte Zuschreibung: Da kam einer, der tat wie ein Lehrer, obwohl er noch gar keiner war, und die SuS interpretierten ihn tatsächlich als Lehrer. Bingo! Für einen «Altlehrer» müsste «lehrerhaft» wahrscheinlich dann aber anders interpretiert werden. Auch nach der Einschätzung von Philippe kann «lehrerhaft» positiv gesehen werden, wenn «es» Teil des professionellen Auftritts und der Funktion ist.
  2. Feedback zu meinem eigenen Lernjournal. Das Teil funktioniert. Will heissen: Wenn ich meine ersten Beiträge mit den neusten vergleiche, muss ich sagen: Ich habe was gelernt. Ich bin nicht mehr derselbe wie am Anfang. Da ist Wissen, Reflexion, Klarheit, auch eine gewisse Sicherheit (von mir aus auch die überstrapazierte Kompetenz) dazugekommen. Man erkennt eine Entwicklung.
    Und was die Interaktion mit anderen Lernjournalen betrifft: Hier könnte noch mehr gehen (ich nehme mich auch an der eigenen Nase). Allerdings sind substanzielle, qualifizierte Kommentare in anderen Lernjournalen nicht einfach so hinzuklöpfen. Hier gibt es einfach Kapazitätsgrenzen. Die Interaktion mit den Kolleginnen und Kollegen erlebe ich jedenfalls stärker während der Uni-Veranstaltungen und der Pausen als beim Kommentieren der Lernjournale.
  3. Hier meine Antwort auf Frage 1 von Philippe: Wie findet man den Mittelweg zwischen zu leichten und zu schwierigen Fragen? Im Grunde muss man die SuS zuerst kennenlernen, bevor man am Fragenniveau justieren kann. Wenn man jemanden neu kennenlernt, kann man auch noch nicht abschätzen, auf welche  Fragen er freudig reagiert und welche er schlicht nicht versteht. Es geht um die Beziehung: Kenne ich jemanden gut, weiss ich genau, auf welche Fragen er «anspringt».
  4. Hier meine Antwort auf Frage 2 von Philippe: Darf er (Philippe) während einer ÜL mitmachen? Was passiert, wenn er sich einschaltet? Nun, da habe ich Erfahrung. Philippe hat sich nämlich während meiner ÜL eingeschaltet, und zwar nicht belehrend oder korrigierend, sondern fachlich mitdiskutierend. Ich habe das sehr geschätzt, und Philippe darf sich bei meinen ÜL immer einschalten 🙂 Ich war sogar froh, hat er das gemacht, weil die SuS eher träge waren. Philippe hat so die Diskussion belebt und mir implizit das Feedback gegeben: «He, das ist interessant, was ihr da macht, so interessant, dass ich auch grad mitmache.» Für die SuS war es, so denke und hoffe ich, aus zwei Gründen interessant: 1. weil Philippe, der ja der «richtige» Lehrer ist, ihnen damit spiegelte, dass er den Stoff für diskutierenswert hielt und sich deshalb nicht auf die Rolle des unbeteiligten Beobachters zurückzog (wie das mancher Schüler tatsächlich gemacht hat). 2. weil das kurze Gespräch zwischen mir und Philippe während der ÜL im besten Fall als Modelllernen durchgehen konnte: Zwei Germanisten diskutierten engagiert über einen Stoff, der sie beide interessierte und den sie literaturwissenschaftlich zu durchdringen suchten (um es mal hochtrabend zu formulieren). Vielleicht hat so der eine oder andere Schüler gesehen, wie das gehen könnte?  (wenn er nicht gerade am Vorbereiten der Chemieprüfung war 😛 ).
  5. Und hier noch meine Antwort auf die Frage 4 von Philippe: Was tut die ideale Lehrperson, während die Klasse selbsttätig arbeitet? Ich musste über die Frage schmunzeln, weil ich sie Philippe ganz kurz vor meiner ÜL gestellt habe (abends um 9 und leicht panisch). Er hat dann zuerst so reagiert: «Nun stossen wir zu den wirklichen Problemen des Lehrerdaseins vor!» Die Ironie verrät, dass er das damals nicht als wahnsinnig relevant betrachtet hat (bevor er mir dann Tipps gab, was man tun könnte 😉 ) Dass die Frage nun hier auftaucht, zeigt mir, dass vielleicht doch mehr dahintersteckt (und zwei Kommilitonen haben sie bereits in ihren Lernjournalen aufgenommen). Jedenfalls, um die Frage endlich zu beantworten: Während meiner ÜL hat sich die Frage als unerheblich und theoretisch entpuppt, weil sie aus dem Lampenfieber vor der Lektion geboren worden war. Faktisch habe ich während dieser Zeit intuitiv verschiedene Dinge gemacht, die sich einfach aus dem Flow ergeben haben: Ich habe mit Philippe geredet, ich habe mit einzelnen SuS geredet, ich lief durch die Reihen (war gar nicht so einfach, weil es ziemlich eng war) und schaute dezent, was die SuS machten. Ich trank einen Schluck Wasser, ich schaute ins Buch, fotografierte mein Tafelbild, ich setzte mich glaub auch einen kurzen Moment auf den Stuhl und schaute den SuS zu, wie sie ihre Texte schrieben. Per Mail kamen dann bereits die ersten Texte der Schreibübung (offenbar war ich auch am Handy), ich las sie durch und ging zu den Schülern, die per Mail abgeben hatten, und stellte ihnen noch Verständnisfragen. Und da war die Zeit auch schon um.

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